Martin Schulz ist unser Kanzlerkandidat

Martin Schulz wurde vom SPD-Parteivorstand als Kanzlerkandidat und künftiger Parteivorsitzender nominiert.

Die Sozialdemokratie in Deutschland tritt mit dem Anspruch an, bei der kommenden Bundestagswahl die stärkste politische Kraft zu werden. Martin Schukz tritt mit dem Anspruch an, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass es in unserem Land gerechter zugeht. Dass die Menschen sicher und gut leben. Dass unsere Kinder eine Perspektive haben. Dass Deutschland ein Stabilitätsfaktor in Europa und in der Welt ist. Dafür brauchen wir eine starke Sozialdemokratie.

Jeder spürt es: Es geht ein Ruck durch die SPD, es geht ein Ruck durch das ganze Land. Wir wollen diese Aufbruchsstimmung nutzen. Gemeinsam wollen wir in diesem Jahr einen großartigen Wahlkampf führen.

Auf uns kommt es auch deshalb besonders an, weil die Rechtspopulisten unser Land spalten wollen. Die Partei der Höckes, der Gaulands und Petrys ist keine Alternative für Deutschland, sondern sie ist eine Schande für die Bundesrepublik!

Martin Schulz

Verantwortlich: Juliane Seifert
Bundesgeschäftsführerin
SPD Parteivorstand
Wilhelmstraße 141
10963 Berlin
Telefon: 030 / 25991 – 500
parteivorstand@spd.de

 

Rede  von Martin Schulz
bei der
Vorstellung des SPD-Kanzlerkanddiaten
am 29. Januar 2017

– Es gilt das gesprochener Wort –
Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,
soeben hat mich der Parteivorstand meiner Partei als Kanzlerkandidaten und  künftigen Parteivorsitzenden vorgeschlagen.  Das ist ein bewegender Moment für  mich und ich bin froh, dass ich diesen Moment mit euch und mit Ihnen hier teilen  darf. Das ist ein großartiges Bild von der Bühne aus und schön zu sehen, dass das  Willy-Brandt-Haus so gefüllt ist.
Überall ist es zu spüren: Die Aufbruchsstimmung und die neue Hoffnung in der Partei  sind nicht nur hier im Saal, sondern auch im ganzen Land greifbar und wir werden  die Wahlen in diesem Jahr wieder richtig spannend machen.  Ich bin sehr gerührt und dankbar für den riesigen Zuspruch, den ich in den letzten Tagen von Parteimitgliedern und aus der Bevölkerung erfahren habe und deshalb freue ich mich auf den Wahlkampf, der nun vor uns liegt!

Lieber Sigmar,

• dass Du aus der Überzeugung, dass es für unser Land und für unsere Partei besser ist, selbstlos auf das Amt des Vorsitzenden und des Kanzlerkandidaten verzichtest,
• dass wir beide in den vergangenen Wochen und Monaten eng beieinander geblieben sind, obschon der ein oder andere versucht hat, uns gegeneinander zu treiben,
• dass Du mein Freund bist,  darüber bin ich sehr froh und dafür sind wir sehr dankbar.

Du bist ein toller Typ und mit Deinem Vorschlag, dass ich nun die Partei führen soll, hast Du in großer Souveränität eine schwere persönliche Entscheidung getroffen. Das verdient Respekt, das verdient Bewunderung. Du hastunseren Respekt und Du hast unsere Bewunderung. Ich bin sicher, dass Du ein herausragender Außenminister wirst, so wie Du ein herausragender Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister warst. Ganz herzlichen Dank für unsere Freundschaft. In den letzten Wochen und Monaten haben wir bewiesen: Die Partei war diszipliniert und solidarisch. Das haben viele uns nicht zugetraut, denn manche denken noch immer, Politik sei es, wenn man sich gegenseitig austrickse oder sich in die Kniekehlen trete. Nein! Sozialdemokratie heißt: ein fairer und ein solidarischer Umgang miteinander! Hand in Hand und Seit’ an Seit’, um das Beste für unser Land zu erreichen. Wir suchen pragmatische Lösungen, im Dienste der Menschen.  Was für ein harter Gegenschnitt zu den endlosen und ermüdenden Streitereien bei den Konservativen, was für ein Gegenschnitt zu dem Intriganten-Stadel in der CSU und den täglichen Demütigungen innerhalb der Union gegen die eigene Kanzlerin.
Der verlässliche Partner in der Bundesregierung ist die SPD und die tragende Kraft die SPD-Bundestagsfraktion. Wir haben die wichtigen Zukunftsprojekte für unser Land angeschoben und realisiert.

Meine Damen und Herren,
die Sozialdemokratie in Deutschland tritt mit dem Anspruch an, bei der kommenden Bundestagswahl die stärkstepolitische Kraft zu werden. Und ich trete mit dem Anspruch an, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden!  Denn wir wollen, dass es in unserem Land gerechter zugeht. Dass die Menschen sicher und gut leben. Dass unsere Kinder eine Perspektive haben. Dass Deutschland ein Stabilitätsfaktor in Europa und in der Welt ist. Dafür brauchen wir eine starke Sozialdemokratie.
Es geht ein tiefer Riss durch unsere Gesellschaft, nicht nur in Deutschland und nicht nur in unseren europäischen Nachbarländern, sondern weltweit. Wir müssen diese Gräben überwinden und zu einem neuen Miteinander kommen. Wir brauchen neuen Mut und neue Zuversicht. Wir sind die Gewissheit, dass wir die Dinge zum Besseren wenden können, wenn wir die Ärmel hochkrempeln und gemeinsam anpacken. Und wir müssen Vertrauen zurückgewinnen und signalisieren, dass sich die Menschen auf uns verlassen können.

Die Gesellschaft zusammenzuführen, das ist die Kernkompetenz der SPD. Und das Zusammenführen der Gesellschaft, das ist die wichtigste Aufgabe in den nächsten Jahren, weil wir nur so stark bleiben werden, um uns gegen die Feinde der Demokratie zu wappnen und die Herausforderungen bewältigen. Dabei geht es auch um gegenseitigen Respekt: Mir ist wichtig, dass die hart arbeitenden Menschen, die sich an die Regeln halten, die sich um ihre Kinder und oft auch um ihre Eltern kümmern, die manchmal trotz zweier Einkommen nur geradeso über die Runden kommen, dass wir diese Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Dafür trete ich an!
Die Menschen, die den Laden am Laufen halten, diese Menschen haben Respekt verdient. Respekt für ihre Lebensleistung. Ich habe diesen Respekt, auch weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass manche Wege steinig und beschwerlich sind und dass man auch vom Weg abkommen kann.  Ich möchte, dass es gerecht in unserem Land zugeht.
• Wenn eine Familie mit Kindern, in der beide Elternteile arbeiten gehen, kaum ihre Miete in den Ballungsräumen zahlen kann, dann geht es nicht gerecht zu.
• Wenn ein Konzernchef verheerende Fehlentscheidungen trifft, dafür noch Millionen an Boni kassiert, eine Verkäuferin dagegen aber für eine kleine Verfehlung rausgeschmissen wird, dann geht es nicht gerecht zu.
• Wenn der kleine Bäckerladen anständig und selbstverständlich seine Steuern zahlt und dadurch unser Gemeinwesen finanziert, der globale Kaffeekonzern sich aber davor drückt und sein Geld in Steueroasen parkt, dann geht es nicht gerecht zu. Steuergerechtigkeit und die Bekämpfung der Steuerflucht wird deshalb ein zentrales Wahlkampfthema werden.
• Wenn Arbeitnehmer bei den Krankenkassenbeiträgen höhere Beiträge als die Arbeitgeber zahlen, dann geht es nicht gerecht zu. Die Parität, das gute Miteinander von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, ist nämlich die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolgs.
• Und wenn wir locker Milliarden zur Rettung von Banken mobilisieren, aber der Putz in den Schulen unserer Kinder von der Wand bröckelt, dann geht es nicht gerecht zu.
Das ist die Aufgabe der SPD, für Gerechtigkeit zu sorgen, Vertrauen aufzubauen und dadurch unser Land voranzubringen.

Dabei haben wir vieles in der Bundesregierung schon geschafft:
• Andrea Nahles hat den Mindestlohn eingeführt, viele Initiativen für gute und sichere Arbeit vorangebracht und die Rente gerechter gemacht,
• Heiko Maas ist das Gesicht für die Bürgerrechte in der Partei, der niemals vergisst, dass man auch bei der Bekämpfung der Kriminalität, die Grundrechte achten und beschützen muss und der unermüdlich klare Kante gegen rechts zeigt,
• Manuela Schwesig hat die Familienpolitik endlich ins Zentrum des Regierungshandels gerückt und kämpft wie kaum eine andere für gleiche Löhne von Frauen und Männern,
• Frank-Walter Steinmeier ist der besonnene Diplomat, der zu Recht der beliebteste Politiker in unserem Land ist und der deshalb in zwei Wochen unser nächstes Staatsoberhaupt wird. Darauf sind wir stolz.
• Barbara Hendricks hat im Bereich Klimaschutz und beim ökologischen Umbau Hervorragendes geleistet und kämpft für bezahlbaren Wohnraum für alle.
• Sigmar Gabriel hat mit seiner Wirtschaftspolitik unglaubliche Erfolge erzielt, mit einem massiven Rückgang der Arbeitslosigkeit und dem Kampf um jeden Job bei Kaisers/Tengelmann. Das war ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Sozialdemokratie. Ich bin sicher, dass Brigitte Zypries an diese erfolgreiche Arbeit souverän anknüpfen wird.
• Und Aydan Özogus macht als Integrationsministerin im Kanzleramt in schweren Zeiten einen richtig guten Job und lässt sich dabei auch durch Anfeindungen nicht von ihrem gradlinigen Kurs abbringen.

Ja, die Vertreterinnen und Vertreter der SPD in der Bundesregierung und die Abgeordneten in der Bundestagsfraktion von Thomas Oppermann geführt, sind diejenigen, die Deutschland voranbringen, während die Unionsseite sich in sinnlose Streits verzettelt und noch nicht einmal entschieden hat, ob CDU und CSU eine gemeinsame Kanzlerkandidatin aufstellen. Deshalb braucht dieses Land endlich eine Bundesregierung, die von einem Sozialdemokraten geführt wird, denn Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder haben Deutschland gut getan!
Und auch in den Ländern regieren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonnen und verlässlich: Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen, Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, Torsten Albig in Schleswig-Holstein, Erwin Sellering in Mecklenburg-Vorpommern, Stefan Weil in Niedersachsen, Olaf Scholz in Hamburg, Dietmar Woidke in Brandenburg, Carsten Sieling in Bremen und Michael Müller in Berlin. Sie alle zeigen, dass es einen Unterschied macht, ob Sozialdemokraten oder Konservative regieren: denn wir stehen für gebührenfreie Bildung von der Kita bis zum Studium; wir stehen für gute und faire Löhne und für den Kampf gegen prekäre Arbeitsplätze; wir stehen für bezahlbare Wohnungen, weil Wohnen ein Grundrecht ist. In 13 von 16 Bundesländern regieren Sozialdemokraten und das ist eine gute Botschaft für die Menschen dort und eine gute Basis für unseren Wahlsieg im September.
Dasselbe gilt für die Städte und Gemeinden: dort wo Sozialdemokraten Verantwortung tragen, wird pragmatisch und an den Bürgerinteressen orientiert regiert. Denn wir wollen, dass die Menschen in den Metropolen und Ballungsräumen genauso eine Perspektive haben, wie die Menschen in den Regionen und ländlichen Räumen. Da ist noch eine Menge Arbeit vor uns, wenn ich an die medizinische Versorgung denke, an zu wenig Kitas und Schulen im ländlichen Raum oder an das Fehlen von Infrastruktur und ausreichenden Angeboten, um den Alltag dort zu bewältigen. Wer im ländlichen Raum, in Dörfern oder in Kleinstädten lebt, hat die gleichen Rechte, wie die Bürgerinnen und Bürger in den Metropolen.

Eines will ich klar sagen: Wahlkampf ist wichtig, um die Unterschiede zwischen den Parteien und den Kandidaten herauszuarbeiten. Ich scheue mich vor keinem Konflikt. Im besten Fall kann ein Wahlkampf zu einer Sternstunde der Demokratie werden. Aber klar ist auch: Die SPD, ich werde in diesem Wahlkampf fair mit den politischen Wettbewerbern umgehen. Politischer Meinungsstreit darf nicht zu Hass, zu Häme oder zu Spott führen und diejenigen, die das versuchen, werden wir demaskieren. Denn das, was wir im vergangenen Jahr im Wahlkampf in den USA erlebt haben, der fehlende Anstand in der Debatte, hat mich erschreckt, weil es tiefe Gräben aufgerissen hat und viel kaputt gemacht hat in dem Land, das einst für Freiheit und Toleranz stand.

Das darf uns in Deutschland nicht passieren. Deshalb ist ein ordentlicher Umgang miteinander, der Respekt vor anderen Meinungen, für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich lade die anderen demokratischen Parteien dazu ein, sich einem Fairnessabkommen anzuschließen, das auch die Nicht-Nutzung von social bots einschließt und gemeinsam zu überlegen, wie man mit falschen Meldungen im Internet, mit Verleumdung und Hetze in den sozialen Netzwerken umgeht.

Die Migrationsfragen treiben uns alle um. Unsere Gesellschaft ist als Ganzes herausgefordert, weil Rattenfänger versuchen, auf dem Rücken der Flüchtlinge ihr politisches Kapital zu schlagen. Das ist schändlich und abstoßend.
Mein Ausgangspunkt in der Debatte ist eine sehr deutsche Erfahrung: unser Land kennt Krieg, Diktatur, Verfolgung und Vertreibung. Wir Deutschen wissen, dass es Zeiten und Situationen gibt, in denen Menschen fliehen müssen, wenn sie überleben oder der Folter und Verfolgung entrinnen wollen. Zwei Tage nach dem HolocaustGedenktag sage ich deshalb ganz bewußt: Heinrich Mann, Albert Einstein, Willy Brandt, Hannah Arendt oder Anna Seegers haben diese Erfahrung gemacht, dass sie ohne politisches Asyl den nationalsozialistischen Terror nicht überlebt hätten.  Diese Erfahrung bedeutet: wenn Menschen vor dem bestialischen Terror des sogenannten Islamischen Staat fliehen, dann haben sie den Schutz in Europa verdient und deshalb ist ein generelles Misstrauen diesen Flüchtlingen gegenüber ein Sieg des sogenannten IS.
Die richtige Strategie bei einer humanen Flüchtlingspolitik heißt bei den Fluchtursachen anzusetzen, also unermüdlich für einen Friedensprozess in Syrien zu arbeiten und die dramatische Armut und politische und wirtschaftliche Instabilität in Afrika zu bekämpfen. Hier ist europäische, hier ist deutsche Außenpolitik gefragt und
es ist beruhigend, dass Frank-Walter Steinmeier das mit großer Souveränität getan hat und Sigmar Gabriel daran anknüpfen wird.
Allerdings muss Europa auch liefern: bei der Bekämpfung der Fluchtursachen genauso wie beim Schutz der europäischen Außengrenzen und bei einem europäischen Einwanderungsgesetz.  Es geht um eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf unserem Kontinent. Denn Solidarität und faire Lastenteilung ist die Basis der europäischen Zusammenarbeit. Deutschland ist solidarisch, wenn es um Hilfe für andere Länder geht – auch finanziell. Deutschland ist solidarisch, wenn sich andere Länder bedroht fühlen und trägt dann auch Sanktionen mit. Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn Solidarität bei einigen Mitgliedsländern so interpretiert wird: bei der Finanzierung der Agrarfonds oder der Mittel für die Strukturförderung „Ja, bitte“, aber bei der Solidarität mit Menschen „Nein, danke“, dann muss eine künftige Bundesregierung die Frage der Solidarität bei der Flüchtlingspolitik mit der nächsten EU-Finanzplanung verbinden.
Dass der lautstärkste Vertreter dieser Entsolidarisierung in Europa, der ungarische Ministerpräsident Victor Orban, der jegliche Solidarität mit Deutschland in der Flüchtlingspolitik ablehnt, von der CSU hofiert und beklatscht wird, ist ein offener Affront gegen die deutschen Interessen.

Die Flüchtlinge, die in unserem Land ankommen und die eine langfriste BleibePerspektive haben, müssen schnell integriert werden. Das kostet Geld, das kostet sogar viel Geld und dabei dürfen wir die Länder und Kommunen nicht alleine lassen, weil sie die Hauptlast tragen. Dafür müssen wir die Vereine und lokalen Initiativen stärken und sie mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstatten. Deutschland ist ein starkes und ein wohlhabendes Land und was die Zivilgesellschaft und die ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürger im vergangenen Jahr bei der Hilfe für Flüchtlinge geleistet haben, ist eine historische Leistung der Menschen in unserem Land.
Aber gerade wenn man für ein offenes und für ein tolerantes Land eintritt, heißt das auch, dass man mit aller Konsequenz gegen Straftäter vorgeht. Olaf Scholz hat das vor vielen Jahren mal so zusammen gefasst: „Ich bin liberal, aber nicht doof.“ Deshalb in klaren Sätzen, mit rheinischem Klang: Wer in Deutschland straffällig wird und sich nicht an die Regeln hält, der wird die volle Härte deutscher Gesetze und der Sicherheitsbehörden spüren. Für eine solche Null-Toleranz-Politik mit Augenmaß stehen die SPD-Innenminister in den Ländern genauso wie unsere Sicherheitspolitiker im Bund.
Aber bei aller notwendigen Klarheit in dieser Frage ist für mich gleichzeitig genauso wichtig: Wir werden niemals unsere Werte, unsere Freiheit und Demokratie, unsere Rechtsstaatlichkeit und unsere Pluralität aufgeben, egal vor welcher Herausforderung wir stehen. Ich sage das sehr bewusst, denn dass ein US-Präsident Mauern hochziehen will, laut über Folter nachdenkt und Frauen, Religionsgemeinschaften, Minderheiten, Menschen mit Beeinträchtigungen, Künstler und Intellektuelle mit unverschämten und gefährlichen Äußerungen attackiert, das ist ein Tabubruch, der unerträglich ist. Allerdings bin ich sicher, dass nun europäische Politiker, wenn sie nach Washington reisen, der US-Regierung erklären werden, dass das internationale Völkerrecht und die Menschenrechte auch für Donald Trump gelten. Da bin ich sicher! Denn die transatlantische Partnerschaft ist wichtig und muss weiter ein fester Bestandteil für Europa und für Deutschland sein. Jetzt sagen manche: „Der Schulz ist ein Europapolitiker. Der hat doch gar keine Ahnung von den deutschen Themen.“

Liebe Freunde, an der Stelle bin ich ganz gelassen: Wenn man 11 Jahre Bürgermeister in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern war, dann weiß man, was beim Arbeitsamt, bei der Polizei, beim Jugend- und Sozialamt, in den Schulen und Altenheimen, bei den Mittelständlern und kleinen Ladenbesitzern, im Sportclub, der lokalen Kulturszene und bei der Feuerwehr los ist. Denn jedes Problem landet am Ende in den Rathäusern und Gemeindevertretungen, also auf der kommunalen Ebene und deshalb empfinde ich manche Einlassung gegen mich, als eine Beleidigung gegen die zig-tausenden Menschen, die sich auf kommunaler Ebene engagieren und dort großartige Arbeit leisten und die es eigentlich sind, die den Alltag in unserem Staat organisieren.
Viele Menschen in Deutschland leben nämlich in der sogenannten Provinz und ich schäme mich nicht, dass ich aus Würselen komme, einer kleinen Stadt in NordrheinWestfalen.
Und ein zweites ist mir wichtig: Ja, ich weiß, was in Europa los ist, kenne die Stärken und die Schwächen der EU und habe viele Kontakte auf unserem Kontinent. Weil ich das weiß, sage ich voller Überzeugung: Ein funktionierendes Europa ist im vitalen Interesse von Deutschland und ein Deutschland, dem es gut geht, ist im Interesse von Europa. Der Versuch also, Europapolitik gegen deutsche Politik zu schieben, so zu tun, als müsste man deutsche Interessen gegen „die da“ in Brüssel verteidigen, ist eine plumpe und eine dumme Rhetorik. Europapolitik ist deutsche Innenpolitik und deutsche Innenpolitik wirkt in Europa. Wer das gegeneinander stellen will, versündigt sich an den Zukunftschancen unserer Kinder und der nachfolgenden Generationen!
Mit mir wird es kein Europa-Bashing geben und deshalb empfinde ich es als Kompliment, dass mir Europakompetenz attestiert wird, denn die braucht man dringend, wenn man ins Kanzleramt einziehen will! Als Bundeskanzler werde ich daran mitwirken, dass dieses Europa besser, effizienter und bürgernäher wird.

Viele hier im Saal kennen mich ja: ich bin der Sohn einfacher Leute, meine Mutter war Hausfrau, mein Vater Polizist. Ich war ein begeisterter Fußballspieler und deshalb lieber auf dem Sportplatz als auf der Schulbank. Als junger Mann sind meine Fußballträume dann zerplatzt und in dieser Zeit habe ich die Orientierung verloren.
Ich weiß, was es bedeutet, wenn man vom Weg abkommt, aber ich weiß auch, wie gut es sich anfühlt, wenn die Familie und Freunde einen wieder aufrichten und man dadurch eine zweite Chance bekommt. Ich habe sie bekommen und ich bin stolz darauf, dass ich eine Buchhändlerlehre absolviert habe und dann einen kleinen
Buchladen eröffnen konnte, der heute noch existiert und der gut sortiert ist. Als ich dann in die Politik gegangen bin, habe ich alles von der Pike auf gelernt – nämlich auf der kommunalen Ebene – bevor es dann ins Europaparlament ging.

Wie viele andere Menschen, die beispielsweise in der Pflege oder Betreuung tätig sind, die Busse fahren, für Sicherheit sorgen, ein Unternehmen führen oder als Handwerker Dinge in Ordnung bringen, die jeden Tag am Band stehen oder die kreativ unterwegs sind, bin ich stolz darauf, was ich in meinem Leben geschafft habe.
Aber was wurde mir nicht alles vorgeworfen? Dass ich kein Abitur habe, nie studierte und dass ich aus der Provinz komme. All diese Dinge sehe ich nicht als Makel, weil ich diese Zuschreibungen mit der Mehrheit der Menschen in unserem Land teile. Nach meinem Verständnis muss ein Bundeskanzler für die Alltagssorgen, für die Hoffnungen wie für die Ängste aller Menschen nicht nur Verständnis, sondern tiefe Empathie empfinden. Sonst ist er oder sie fehl am Platz. Deshalb bewerte ich so manchen Angriff gegen mich – „der Europa- und Kommunal-Fuzzi, der noch nicht mal Abitur hat“ einfach nur als arrogant, elitär und total abgehoben. Die beste Antwort auf diese Attacken war in dieser Woche die Zustimmung der Menschen, die in die SPD eingetreten sind und die uns dadurch ihr Vertrauen geschenkt haben.
Ich werde in den nächsten Wochen viel durchs Land reisen, um die Menschen in ihrem Lebensalltag zu treffen und mit ihnen darüber zu diskutieren, was ihre Vorstellungen für eine bessere, eine gerechtere und eine sichere Zukunft sind. Ich möchte den Menschen zuhören. Bei den Parteitagen im März und Mai werden wir dann unsere programmatischen Ideen vertieft vorstellen.
Wir Sozialdemokraten wollen den Laden voranbringen, weil in diesen Zeiten das taktische Auf-Sicht-Fahren und Herumlavieren einfach zu wenig ist. Denn wir könnten ambitionierter sein, um unser Land fit für die kommenden Jahrzehnte zu machen. Es geht darum, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu verdienen, indem wir unser Land gerechter machen. Vieles ist aus dem Lot geraten.
• Es geht darum, für gute Löhne zu sorgen, denn sichere Jobs und gute Löhne sind die Grundbedingung für eine Rente, von der man später in Würde leben kann. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss dabei für alle Frauen und Männer gelten und gemeinsam mit den Tarifpartnern müssen wir die sozialen Berufe in der Pflege und Betreuung auch durch Lohnsteigerungen aufwerten. Hierfür sind starke Gewerkschaften und Betriebsräte zentral. Das von Sigmar Gabriel neu begründete Bündnis zwischen SPD und Gewerkschaften wird von mir mit großem Engagement fortgesetzt werden.
• Es geht darum, dass der Schlüssel für eine gute Zukunft unsere innovative Wirtschaft ist, weil sie die guten und krisensicheren Jobs schafft. Dafür brauchen wir höhere Investitionen. Wir brauchen sie im Bereich der Infrastruktur, beim digitalen Umbau und für Bildung und die Familien. Dass wir angesichts von Milliarden Überschüssen im Bundeshaushalt nun aber erleben müssen, dass der Finanzminister als Wahlkampfgeschenk Steuersenkungen verspricht, von denen die Reichen wieder mal am meisten profitieren sollen, anstatt in die Köpfe unserer Kinder zu investieren, zeigt, dass wir auch endlich einen sozialdemokratischen Finanzminister in Berlin brauchen. Ich bin dankbar dafür, dass Torsten Schäfer-Gümbel zusammen mit den SPD Finanzministern im Land gute Vorschläge für eine gerechte Steuerpolitik und das Schließen von Steueroasen macht.
• Es geht darum, die Familien und unsere Kinder zu stärken. Familie ist, wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen. Krippen, Kitas und Ganztagsschulen sind für mich die Leuchttürme in unseren Städten und Gemeinden und nicht die Wolkenkratzer von globalen Finanzinstituten, die mit ihrer intransparenten Architektur einen zynischen Machtanspruch dokumentieren und zementieren wollen.
• Es geht darum, für Sicherheit in unseren Städten und Gemeinden zu sorgen, in dem wir genug Polizei auf die Straße bringen. Denn die Alltagskriminalität, die Wohnungseinbrüche und der Vandalismus führen zu einem Gefühl der Verunsicherung. Ich habe für dieses Gefühl Verständnis. Deshalb darf die SPD nicht nur auf der Seite von denjenigen stehen, die beherzt und voller Dynamik voranschreiten, sondern sie muss auch der Anwalt der Leute sein, die Ängste haben und die sich fürchten.  Dabei steht für mich fest: Die neoliberale Ideologie der letzten Jahrzehnte hat unter dem Stichwort „Schlanker Staat“ und „Privat statt Staat“ die Polizei und Sicherheitsorgane ausgeblutet und damit die Kriminalitätsbekämpfung erschwert. Deshalb ist es an der Zeit, dass endlich ein sozialdemokratischer Innenminister das Ruder übernimmt, nachdem die Union seit 12 Jahren für dieses Resort verantwortlich ist und immer wieder mit starken Sprüchen ihre eigenen Versäumnisse zu kaschieren sucht.
• Es geht darum, gute Bildung auch dadurch zu ermöglichen, dass wir auf allen Ebenen so zusammen arbeiten, dass wir die gleichen Bildungschancen für alle ermöglichen. Bildung muss gebührenfrei werden, von der Kita bis zum Studium und dort wo Sozialdemokraten regieren, ist das auf einem guten Weg. Bildung und Ausbildung heißt auch kulturelle Bildung und deshalb ist es mir als Buchhändler besonders wichtig, dass wir dabei die musische Bildung und die Investitionen in Bibliotheken und Theater nicht vergessen. Anke Rehlinger im Saarland, Torsten Albig in Schleswig-Holstein und Hannelore Kraft in NRW haben der Bildung einen zentralen Platz im Wahlkampf gegeben. Richtig so, denn das Motto von Hannelore Kraft „Kein Kind zurücklassen“ ist die Basis für eine zukunftsorientierte Politik.
• Es geht darum, endlich anzuerkennen, dass bezahlbarer Wohnraum in immer mehr Regionen zu einer zentralen sozialen Frage geworden ist und dass wir deshalb den Bau von erschwinglichen Wohnungen forcieren müssen und Mieterhöhungen begrenzen. Die Förderung von bezahlbarem Wohnraum war aber jahrelang als staatliches Almosen verpönt und Barbara Hendricks hat diesen falschen Ansatz nachhaltig beendet.
• Es geht darum, die Umwelt auch im Interesse der nachfolgenden Generationen zu schützen und das heißt nicht nur globale Klimaabkommen zu schließen – das auch -, sondern auch auf lokaler Ebene für eine nachhaltige Landwirtschaft mit gesunden Lebensmitteln zu sorgen und den Landschafts- und den Tierschutz endlich ernst zu nehmen. Der Schutz unserer Umwelt ist die zentrale Aufgabe unserer Generation. Wir dürfen unseren Kindern und Enkelkindern kein vergiftetes Erbe hinterlassen.
• Und es geht darum, die Digitalisierung als Gestaltungsaufgabe zu begreifen, denn es ist ja absurd das ein Viertel der Menschen, die im ländlichen Raum leben, keinen oder nur schlechten Zugang zum Internet haben. Die
Digitalisierung ist eine wichtige Grundlage für Innovation und Dynamik und sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir gestalten müssen. Aber die digitale Spähre braucht auch Regeln, damit sich nicht nur die Starken mit den mächtigsten Rechner durchsetzen und deshalb ist eine Grundrechtecharta für die digitale Welt ein wichtiges Instrument, um Regellosigkeit im Netz zu beenden und Pluralität und Schutz des Einzelnen zu bewahren.

Im Kern geht es darum, dass wir unsere Gesellschaft zusammenhalten. Der Kitt unserer Gesellschaft sind aber die Sportvereine, die Nachbarschaftsinitiativen, die Kirchen, die Gewerkschaften und Betriebe und die Bildungsstätten. Die Unterstützung der Zivilgesellschaft ist das Gebot der Stunde, um unsere Demokratie zu verteidigen. Ralf Stegner, dem ich zu seiner Wiederwahl als Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein gratuliere, ist bei der Verteidigung der Demokratie und der Stärkung der Zivilgesellschaft an vorderster Front engagiert.
Es gibt aber den massiven Versuch, unser Gesellschaft in die Zange zu nehmen: Auf der einen Seite sind wir in Deutschland wie in vielen anderen Ländern mit einem barbarischen Terrorismus konfrontiert, der abscheuliche und feige Mordanschläge verübt und dessen Ziel es ist, dass wir unsere freie und demokratische Gesellschaftsordnung aufgeben. Diese Mörder müssen wir mit harter Hand bekämpfen, mit Polizei, den Sicherheitsdiensten und allen Mitteln des Strafrechts, ohne dass wir dabei die Freiheit und Liberalität opfern. Allerdings müssen wir uns gleichzeitig fragen, warum auch Menschen in die Fänge von Terroristen und totalitärer Ideologien gelangen, die in toleranten und freien Gesellschaften aufgewachsen sind. Die Begeisterung für unser offenes und tolerantes Gesellschaftsmodell ist offensichtlich keine Selbstverständlichkeit mehr und deshalb müssen wir mehr erklären und um die Köpfe und Herzen kämpfen. Das heißt auch, dass wir Projekte, die sich für eine De-Radikalisierung einsetzen, kräftig unterstützen müssen.
Prävention und die Bekämpfung der Ursachen von Kriminalität ist ein wichtiger Bestandteil einer sozialdemokratischen Sicherheitspolitik. Ich sage aber auch: Wer die Freiheit und die demokratische Grundordnung unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit aushebeln will, wer die ersten zwanzig Artikel unseres Grundgesetzes nicht akzeptiert, der wird mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen müssen. Für Terror gibt es keine Rechtfertigung.

Auf der anderen Seite sind wir mit einem erstarkenden Nationalismus konfrontiert, einem Populismus und einer sich radikalisierenden Rechten. Le Pen in Frankreich, Wilders in den Niederlanden und die AfD in Deutschland sind nur einige Vertreter dieser Richtung, die permanent mal gegen Minderheiten, mal gegen den Islam, gegen die Medien oder gegen Europa hetzen. Die Partei von Marie Le Pen, auf die sich die AfD so gerne bezieht, heißt im deutschen „nationale Front“. Eine solche Partei mit einem aggressiven Nationalismus hatten wir in unserem Land schon einmal. Wozu ein blinder Nationalismus aber führt, haben wir in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt. Deshalb ist die Partei der Höckes, der Gaulands und Petrys keine Alternative für Deutschland, sondern sie ist eine Schande für die Bundesrepublik.
Wer die freie Presse attackiert und beispielsweise von Lügenpresse spricht, der will ein anderes Land. Als Präsident des Europaparlaments musste ich mit solchen Leuten tagtäglich umgehen: Menschen, die unerträglichen Rassismus und Antisemitismus, die Frauenfeindlichkeit und Homophobie wieder gesellschaftsfähig machen wollten. All diesen Rassisten, Extremisten und Populisten  sage ich, sagt die gesamte SPD den Kampf an!
Ich habe vor ein paar Wochen in Dresden eine Initiative besucht, die per Twitter von den Pegida-Demonstrationen berichtet. Die Gründer dieser Initiative sind zwei junge Männer, die für ihre vorbildliche Arbeit immer wieder attackiert und bedroht werden. Mich hat das Engagement dieser Beiden und das vieler anderer, junger Leute stark
beeindruckt und mir wird um die Zukunft nicht bange, wenn ich an die zahlreichen Initiativen gegen rechts denke, in denen so viele Menschen aktiv sind und die Manuela Schwesig als Ministerin konsequent unterstützt.

Das Bollwerk gegen diesen wütenden Nationalismus hat drei Buchstaben: SPD. Seit mehr als 150 Jahren haben wir gegen Rassismus, Antisemitismus, Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit gekämpft und deshalb bin ich sehr demütig, dass mir das Amt des Parteivorsitzenden angetragen worden ist, das historische Persönlichkeiten wie August Bebel, Friedrich Ebert, Otto Wels, Kurt Schumacher und  Willy Brandt inne hatten. Die SPD ist die Partei, die in ihrer Geschichte noch nie ihren Namen ändern musste und die im Kaiserreich, unter den Nazis und in der DDR bekämpft wurde und deren Mitglieder ermordet, gefoltert und erniedrigt worden sind.  Ich sage: Gerade in Zeiten des Umbruchs, in einer Periode der Verunsicherung, muss man sich auf seine Tradition besinnen, muss man verlässlich an seinen Werten festhalten. Man muss den Rücken gerade machen und den Radikalen den Kampf
ansagen. Das wollen wir tun!

Ich möchte in diesem Jahr Wahlen gewinnen: erst im Saarland, dann in SchleswigHolstein, in NRW und schließlich im September im Bund.  Jeder spürt es: Es geht ein Ruck durch die SPD, es geht ein Ruck durch das ganze Land. Wir wollen diese Aufbruchsstimmung nutzen. Ich möchte mit euch und mit Ihnen in diesem Jahr zusammen einen spannenden Wahlkampf führen. Ich lade jede und jeden ein, dabei mitzumachen und gemeinsam die besten Lösungen für unser Land zu finden. Und zwar egal, ob sich jemand erstmalig engagieren möchte oder bereits in der Partei ist oder in einer Gewerkschaft, in der Kirche, im Verein oder in einer Nachbarschaftsinitiative mitmacht. Zusammen mit den kreativen Köpfen und allen, die Deutschland besser machen wollen, sollten wir den neuen Schwung nutzen. Also lasst uns anpacken und unser Land gerechter machen und das mutlose
„Weiter-So“ beenden. Mit Ihrer und mit eurer Hilfe, ist das möglich.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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