Als Matrose verkleidet hat Ronald Mernitz am Sonntagmittag im Eisenacher Bahnhof in einem
kleinen Szenenspiel an die revolutionären Ereignisse vor 100 Jahren im Kaiserreich erinnert. Zu der
Aktion „Die Revolution rollt“, zu welcher der Verein „Weimarer Republik“ einlud, erschienen rund
80 Teilnehmer.
Statist Ronald Mernitz vom Verein „Weimarer Republik“ mit Genossinnen und Genossen aus Eisenach und dem Wartburgkreis
Die Revolution rollt:
Deutschlands Aufbruch in die Demokratie vor 100 Jahren
Rede des revolutionären Matrosen IN EISENACH
Arbeiter! Soldaten!
Männer und Frauen aus Eisenach!
Wir sind heute zu euch gekommen, um euch die herzlichen Grüße aller revolutionären Matrosen der deutschen Seestreitkräfte zu überbringen. Wir haben auf den Schiffen und in den Häfen die Kommandogewalt übernommen, Arbeiter- und Soldatenräte gebildet und die Offiziere entwaffnet.
Komparsen (laut): Hurra! Es lebe die Revolution!
Redner macht eine beruhigende Geste.
Damit haben wir unmissverständlich klargemacht: Dieser elende Krieg, der nun schon vier Jahre dauert, muss endlich ein Ende haben. Wir wollen kein Kanonenfutter mehr sein!
Komparsen: Jawohl!
Seit vier Jahren leidet unser Volk unter diesem Krieg. Tag für Tag sterben die Männer an den Fronten. Und in der Heimat herrschen Hunger, Elend und Krankheiten. Und wofür das Ganze? Für die Eroberungslust der Imperialisten, für die Profite der Großkonzerne, für die Macht der Fürsten und des Kaisers!
Komparsen: Buuuh!
In diesem Krieg wird nicht unser Vaterland verteidigt. In diesem Krieg sollen wir verheizt werden, damit sich einige Wenige die Taschen vollmachen können! Ihr erlebt es jeden Tag: Während ihr hungert, leben Kapitalisten, Offiziere, Schieber und andere Kriegsgewinnler wie die Made im Speck.
Komparsen: Buuuh!
Arbeiter und Soldaten! Damit muss jetzt Schluss sein. Wir wollen endlich Frieden!
Komparsen: Ja! Schluss mit dem Krieg! Es lebe der Frieden!
Aber die Kriegsgewinnler wollen keinen Frieden. Sie wollen uns und die Arbeiter anderer Völker weiter ausbeuten. Und deshalb tun sie alles, um einen gerechten Frieden zu verhindern. Vor zwei Wochen befahl die Seekriegsleitung unseren Schiffen, gegen die Engländer auszulaufen, zur letzten Schlacht. (Abschätzig.) „Ehrenvoller Untergang“ nannten die Offiziere das. Wir sollten geopfert werden für ihren Ruhm!
Komparsen: Pfui!
Da haben wir Schluss gemacht. Wir haben die Kessel gelöscht, unsere Waffen genommen und die Offiziere überwältigt. Nun sind die Schiffe in unserer Gewalt. Nun können sie nicht mehr auslaufen und Tausenden Menschen den Tod bringen!
Komparsen: Hurra!
Die Tat der Matrosen verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Von Hafen zu Hafen, von Stadt zu Stadt geht der Ruf: Nieder mit dem Krieg!
Komparsen: Nieder mit dem Krieg!
Und ich füge hinzu: Nieder mit dem Kaiser!
Komparsen: Nieder mit dem Kaiser! Nieder mit dem Kaiser!
Denn der Kaiser hat diesen Krieg zu verantworten. Er hat ihn begonnen. Er hat ihn auch dann noch fortgesetzt, als ein Sieg nicht mehr möglich war, als das Volk und die Soldaten Entsetzliches erlitten. Er will ihn auch jetzt noch weiterführen. Und deshalb sage ich euch: Nieder mit diesem Kaiser!
Komparsen: Nieder mit dem Kaiser! Nieder mit dem Kaiser!
Und mit dem Kaiser sollen alle anderen Fürsten verschwinden. Auch euer Großherzog! Wir wollen keinen Adel mehr. Niemand soll mehr allein wegen seiner Geburt bevorzugt werden. Alle Menschen sind gleich!
Komparsen: Hurra!
Wir fordern nicht nur die Abdankung aller Fürsten. Wir fordern echte Volksregierungen, die nicht den Interessen der Reichen gehorchen, sondern dem Willen der Mehrheit. Deshalb muss es so schnell wie möglich freie Wahlen geben, bei denen alle Stimmen gleich sind – egal wie viel Geld man besitzt – nach dem Prinzip: ein Mann, eine Stimme.
Frau: Und was ist mit den Frauen, Genosse?
(Stutzt.) Was mit den Frauen ist? Nun, äh. (Er überlegt eine Weile) Die sollen natürlich mitstimmen. (Überzeugter) Wir fordern das Wahlrecht für Frauen!
Komparsen: Hurra! (Besonderes Gekreische der Frauen)
Der Redner sonnt sich im Jubel, der etwas länger anhält.
Mit einer Handbewegung sorgt er für Ruhe.
Und dann wollen wir endlich befreit werden von allen Fesseln, die uns der Kaiser und seine Leute angelegt haben. Wir wollen frei unsere Meinung sagen. Wir wollen uns frei und ohne Angst versammeln und zusammenschließen dürfen. Wir wollen endlich die Wahrheit in den Zeitungen lesen. Fort mit der Zensur!
Komparsen: Fort mit der Zensur!
Wir wollen eine Polizei, die dem Volke dient und es nicht unterdrückt. Wir wollen Gerichte, die wirklich der Gerechtigkeit verpflichtet sind und nicht den Herrschenden. Wir wollen Beamte, die das Wohl der Menschen im Blick haben und nicht die Interessen Einzelner.
Komparsen: Jaa!
Und dann gehen wir an das Aufbauwerk für ein neues, für ein gerechtes, für ein sozialistisches Deutschland! Für ein Deutschland ohne Ausbeutung und Unterdrückung, das friedlich mit seinen Nachbarn zusammenlebt. Für ein Deutschland, in dem alle genug zu essen haben, eine anständige Wohnung, wärmende Kleidung. In dem Arme, Kranke, Versehrte gepflegt und versorgt werden. In dem nicht die Geburt, sondern die Tüchtigkeit über das Vorankommen entscheidet.
Komparsen: Hurra!
Und deshalb rufe ich euch auf im Namen der deutschen Matrosen: Brecht die Macht der Fürsten! Ergreift die Macht in eurer Stadt! Legt sie in die Hände erfahrener Männer!
Frau: Und Frauen!
(Lächelt) Ja, und in die Hände erfahrener Frauen. Bildet Arbeiter- und Soldatenräte! Entwaffnet die Offiziere! Unterstellt euch alle Verwaltungsdienststellen! Arbeiter und Soldaten: Ich rufe euch auf zur Revolution!
Komparsen: Hurra! Es lebe die Revolution! Es lebe die Revolution! Es lebe die Revolution!
Einer ruft: Erschießt alle Kapitalisten! Macht es wie in Russland!
(Sofortige Stille.)
(Ernstes Gesicht) Arbeiter und Soldaten von Eisenach: Nein! Macht es nicht wie in Russland. Mord und Totschlag bringen nichts Gutes. Sie schänden die Revolution. Übernehmt die Macht, aber übt keine rohe Gewalt aus. Rächt euch nicht, misshandelt niemanden, plündert nicht!
(Verwirrendes Gemurmel, man spürt, dass die Komparsen debattieren)
(Angestrengt) Bedenkt: Unser Volk leidet unter Hunger und Entbehrung. Der Winter steht vor der Tür. Allerorten grassiert die furchtbare Grippe. Wer in einer solchen Situation Chaos stiftet, führt unser Land in die schlimmste aller Katastrophen.
(Wechselt das Thema)
Arbeiter und Soldaten! Gewaltige Herausforderungen stehen vor uns. Aber wir gehen sie an im Glauben an die lichte Zukunft des Sozialismus, an eine gerechte Gesellschaft, daran, dass es unsere Kinder einmal besser haben werden als wir. Kämpft ihr mit für dieses Ziel?
Komparsen (jetzt überzeugt): Jaaa!
Nieder mit dem Krieg!
Komparsen: Nieder mit dem Krieg!
Nieder mit dem Kaiser!
Komparsen: Nieder mit dem Kaiser!
Es lebe die Revolution!
Komparsen: Es lebe die Revolution!
(Ende. Der Redner steigt von seinem Podest und mischt sich unter die Komparsen)