Gegen das Vergessen. Stolpersteinverlegung in Herleshausen.

Am Freitag, den 16. Sept. 2016 wurden im Rahmen einer würdigen Gedenkfeier 21 weitere Stolpersteine in Herleshausen verlegt. Viele Bürger aus Herleshausen und der Umgebung folgten der Einladung des Werratalvereins, ZweigV. Südringgau e.V., den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken. An der Veranstaltung nahm Maik Klotzbach, Vorsitzender des Bündnis gegen Rechts – Werratal und stellv. Vorsitzender der SPD Wartburgkreis teil.

Ansprache von Bürgermeister Burkhard Scheld, Herleshausen

„Wer den Besuch von Papst Franziskus im früheren deutschen Vernichtungslager Auschwitz – Birkenau vor wenigen Wochen in den Medien mitverfolgt hat, konnte tiefgreifende Aussagen zu seinen Handlungen im Anschluss wahrnehmen. Die Worte „Herr vergib uns so viel Grausamkeit“ schrieb er in ein Besucherbuch, die düstere Todeszelle und die Galgen besuchte und berührte er aber in aller Stille. … Dieses Schweigen an einer Stelle an der so viel Unmenschlichkeit ausgeübt wurde, wird Vielen in langer Erinnerung bleiben.

Ansprache von Bürgermeister Burkhard Scheld, Herleshausen
Ansprache von Bürgermeister Burkhard Scheld, Herleshausen

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste aus Nah und fern,
heute werden hier in Herleshausen zum vierten Mal Stolpersteine verlegt und wir dürfen auch Herrn Demnig wieder dazu begrüßen. Grundsätzlich möchte ich dazu klarstellen, dass die Ge-meinde Herleshausen zu der Verlegung der Stolpersteine steht und es zu der Art und Weise auf öffentlicher Seite keine Bedenken gibt.
Warum stelle ich dies so heraus? Ganz einfach, es gibt mittlerweile Städte in Deutschland in de-nen diese Art des Gedenkens nicht mehr erwünscht ist. Herleshausen gehört nicht dazu! Deshalb wird hier das gesteckte Ziel – für alle ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, deren Schicksal es rechtfertigt einen Stolperstein zu verlegen – auch in den nächsten Jahren weiterver-folgt. Wir verneigen uns vor den Inschriften und stolpern mit unseren Gedanken, um innezuhalten, um nachzudenken und um uns klarzumachen was nie mehr geschehen darf.
Meine Damen und Herren, es wird dringend Zeit, dass wir uns diesen Themen wieder deutlicher annehmen. Wenn ich an manchen Abenden die Nachrichten gesehen habe, frage ich mich immer öfter wieviel braune Gesinnung gibt es schon wieder in unserem Deutschland. Ist wirklich schon so viel in Vergessenheit geraten, dass diese rechten Truppen erneut Stimmung machen können. Verstehen sie mich richtig – es geht mir nicht um die demokratischen Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden, die bereit sind darüber in den anerkannten Regeln und Foren zu diskutieren. Mir geht es um die, die Straßenschlachten initiieren, die Sitten verrohen lassen, eine Wortwahl treffen, die dem Nationalsozialismus zuzuschreiben ist und die unsere Demokratie mit Füßen treten um Sie im nächsten Moment abzuschaffen!

Jeder Schüler sollte einmal eine KZ Gedenkstätte besuchen; diese Aufforderung – oder sollte man besser sagen – diese Notwendigkeit hat der Präsident des Zentralrates der Juden, Herr Dr. Josef Schuster, Anfang des Jahres in den Raum gestellt. Anlässlich der Befreiung des Konzentrationsla-gers Ausschwitz vor 71 Jahren hat er im Januar darauf aufmerksam gemacht, dass es keine authen-tischeren Orte gibt, die das Grauen der Judenvernichtung begreifbarer machen, als die Konzentra-tionslager die auch in unserer Nähe zu finden sind. Die Vereinten Nationen haben den 27. Januar zum internationalen Holocaust-Gedenktag ausgerufen um an den Völkermord der Nazis zu erin-nern und der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden zu gedenken.
Die Erinnerungskultur muss beibehalten und gelebt werden um den immer wieder zu erkennenden Rückfall in ein Gedankengut, das Vergessen schien, zu verhindern. Wenn unsere Stolpersteinver-legungen dies bewirken, dann haben wir einen wichtigen Beitrag dazu geliefert.
Übrigens sind die Menschen, die extra nach Herleshausen anreisen um die Stolpersteine, die für ihre Angehörigen verlegt worden sind, zu besuchen, sehr, sehr dankbar für diese Form der Erinne-rung und des Gedenkens. Gerade die letzten beiden Besuche in diesem Sommer haben gezeigt, dass tausende Kilometer Anreise gerne in Kauf genommen werden um nachzuforschen wie und wo die Familienmitglieder damals gewohnt und gelebt haben.
Für diese persönlichen Momente, für die damit verbundenen Emotionen und für die Tatsache, dass sich an diesen Stolpersteinen der Kreis einiger Familienschicksale schließen kann, … alleine dafür ist die Arbeit, die der Arbeitskreis „Stolpersteine in Herleshausen“ leistet, eine Genugtuung die die Herzen berührt.

Die Aufarbeitung der Herleshäuser Geschichte führt auch bei den Stolpersteinen dazu, dass unsere kleine Landgemeinde mittlerweile weit über die Grenzen Deutschlands, ja Europas, bekannt wird und wahrzunehmen ist.
Am Ende meiner Ausführungen möchte ich nochmal auf den Papstbesuch im Vernichtungslager Auschwitz – Birkenau zurückkommen. In einem Interview nach dem Besuch äußerte sich ein Mit-arbeiter der Gedenkstätte sinngemäß wie folgt: „Normalerweise kommen hochrangige Gäste zu uns und reden viel und laut in unserer Gedenkstätte über die hier begangenen Grausamkeiten. Wenn sie dann aber gehen und in ihre Welt zurückkehren schweigen sie wieder. Papst Franziskus hat bei uns geschwiegen. Er wird aber, wenn er uns verlassen hat, darüber reden und damit dafür sorgen, dass die Erinnerung außerhalb der Gedenkstätte weiter bestehen bleibt.“

Manchmal sagt Schweigen eben mehr als Worte und manchmal bleibt dieses Schweigen für im-mer im Gedächtnis. Wir sollten diesem Beispiel folgen: Schweigen dort wo es angebracht ist um zu beten und zu erinnern, und klare, deutliche Worte dort aussprechen, wo sie erforderlich sind um zu verhindern, dass braune Parolen das Vermächtnis und das Gedenken stören. Wenn wir hier in Herleshausen mit unseren Veranstaltungen dies erreichen, dann haben wir es richtig gemacht.
Dafür meinen Dank an alle Beteiligten, die dafür gesorgt haben, dass wir auch heute wieder in würdigem Rahmen an eine Vergangenheit erinnern konnten, auf die wir alle nicht stolz sein kön-nen. Wer aber diese Vergangenheit leugnet, wird dieselben Fehler wieder begehen und dass darf niemals mehr passieren. Die Stolpersteine und gerade die in Herleshausen, werden uns auf ihre Weise daran erinnern.“

Weitere Impressionen von der Gedenkfeier:

Gedenkfeier in der Lauchröder Straße, Blick Richtung „Anger“. Rechts das „Judengässchen“, an dem das Haus Nr. 3, die ehemalige jüdische Schule (hier nicht zu sehen) angrenzt. Schüler verlesen die Biografien der NS-Opfer
Gedenkfeier in der Lauchröder Straße, Blick Richtung „Anger“. Rechts das „Judengässchen“, an dem das Haus Nr. 3, die ehemalige jüdische Schule (hier nicht zu sehen) angrenzt.
Schüler verlesen die Biografien der NS-Opfer
Blick in Richtung der Lauchröder Allee
Blick in Richtung der
Lauchröder Allee
Thomas Riehl, Eisenach, Opernsänger und Musikschul-Lehrer, umrahmte die Gedenkfeier mit seinen Liedern; an dieser Stelle mit: Ojfn pri-petschik … un der Rebbe lernt klejne Kinderlakh“ Die Texte seiner Lieder verlas er zuvor in deutscher Sprache.
Thomas Riehl, Eisenach, Opernsänger und Musikschul-Lehrer, umrahmte die Gedenkfeier mit seinen Liedern; an dieser Stelle mit: Ojfn pri-petschik … un der Rebbe lernt klejne Kinderlakh“
Die Texte seiner Lieder verlas er zuvor in deutscher Sprache.

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten!

SPD Wartburgkreis
Maik Klotzbach

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